Spurensuche
Italienische Kinder und Jugendliche
auf den Spuren ihrer kulturellen Identität
Ein Pilotprojekt
Im Herbst 1997 begann die Zusammenarbeit
zwischen der
Kommunalen Ausländerkultur des Saarbrücker
Kulturamtes und COASSCIT im interkulturell-künstlerischen
Integrationsprojekt "Spurensuche - Italienische Kinder und Jugendliche
auf den Spuren ihrer kulturellen Identität". Als Endziel des interkulturellen
Großvorhabens wurden im Herbst 1999 als deutsch-italienischer Beitrag
zur 1000-Jahr-Feier der Landeshauptstadt Saarbrücken 1999 die Entwicklung
und die Ergebnisse von "Spurensuche" in multimedialer Form präsentiert.
Gezeigt wurde der Projektverlauf anhand
von Fotos, Texten, Malarbeiten, Fotogrammen, Video-Clips, Hypertexten im
Computer, Filmarbeiten, Teilen der "Opera dei Pupi" und Souvenirs aus der
Zeit der jüngsten italienischen Einwanderung. Die Dokumentation stand
unter der Schirmherrschaft des italienischen Konsuls Herrn Salvatore Sciuto.
Wo steht die 3. Generation ?
Die Idee und Konzeption für das interkulturelle
Geschichtserforschungsprojekt aus Kindersicht entstanden im Sommer 1997
zwischen Anmarie Jenkins und Birgit Kollet von der Kommunalen Ausländerkultur,
dem COASSCIT-Leiter Dr. Rolando Pettinari, der Medien-Künstlerin Sabine
Loos und Claudia Lang, der damaligen Leiterin der Kinder-Kreativ-Werkstatt
"Krambambuli". Die Konzeption wurde parallel zum Verlauf des Projekt fortgeschrieben
und von Birgit Kollet, Sabine Loos, Dr. Rolando Pettinari und Dr. Antonella
d’Alonzo weiterentwickelt.
Im Saarland und besonders in Saarbrücken
leben mittlerweile in der 3. Generation die Nachkommen ehemaliger italienischer
Gastarbeiterfamilien. Wie stellt sich die Frage von Identität und
kultureller Zugehörigkeit für diese Kinder und Jugendlichen,
woraus beziehen sie ihr Selbstbewußtsein, wo ist für sie Heimat
und Fremde? Erleben sie sich im Gefühl von Kontinuität oder Fremdsein?
Ziel des Projektes war es, diesen Fragen nachzuspüren und die eigene
Lebenswelt vielleicht unter neuen Blickwinkeln zu entdecken und sich besser
darin zurechtzufinden. Die Teilnehmenden konnten ihre eigene Kultur und
Geschichte kennenlernen mitsamt den wechselseitigen Verflechtungen und
Verbindungen mit der Kultur und Geschichte des Landes, in dem sie heute
leben
Multi-Media mit Kopf und Hand
Die künstlerische Begleitung und
Betreuung des mehrjährigen Projektes lag in Händen der Saarbrücker
Medien-Künstlerin und Grafikerin Sabine Loos (Förderstipendiatin
der Landeshauptstadt 1993 im Bereich Bildende Kunst). Für sie gestaltet
sich der kreative Arbeitsprozess unter Einbeziehung des ganzen Menschen:
Gedanken, Gefühle, Phantasien und neue Ideen können beim Umgang
mit
Materialien, beim Töpfern und im Fotolabor ihren Ausdruck finden,
bieten Möglichkeiten zur (nonverbalen) Kommunikation, zur gegenseitigen
Anregung im gemeinsamen Tun - und helfen auch über (vermeintliche)
Sprachbarrieren hinweg. Sensibilisiert werden sinnliche und kognitive Fähigkeiten,
seinen Lebensraum bewusster wahrzunehmen, ihn zu begreifen und vielleicht
verändernd gestalten zu können.
Bei solchermaßen spielerisch-kreativem
Umgang mit Geschichte, pädagogisch begleitet von der Erziehungswissenschaftlerin
Barbara Seithe und der Lehrerin Dr. Antonella d’Alonzo, wurden nicht nur
Vergangenheit und Gegenwart der gemeinsamen kulturellen Wurzeln erfahrbar.
Die Kinder und Jugendlichen nahmen ihre Umwelt bewusster wahr. Die begleitende
vertiefende kreative Umsetzung führte nebenbei auch zum Erlernen und
Einüben manueller und kognitiver Fähigkeiten: beim Malen, Zeichnen,
Fotografieren und im Fotolabor.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Arbeit
mit Video, Grafik und Computerdokumentation.
Im Rahmen der Saarbrücker "Interkulturellen
Woche" (14.-24.10.1999) fand am Mittwoch, dem 20.10.1999, um 19 Uhr im
Kulturfoyer ein Vortrag von Dr. Rolando Pettinari zur italienischen Einwanderung
in das Saarland statt, der durch szenische Einlagen der COASSCIT-SchülerInnen
erläutert wurde.
Römische Funde
Auf den Spuren der Römer im Saarlandzurück
zu "Auf den Spuren der Italiener im Saarland"
Die Herbstferien 1997 boten den deutschen
und italienischen Kindern und Jugendlichen der italienisch-muttersprachlichen
Schulklassen in Sulzbach ein außergewöhnliches Erlebnis: Auf
den Spuren der Römer im Saarland besichtigten sie die römische
Siedlung in Homburg-Schwarzenacker und das Museum für Vor- und Frühgeschichte
in Saarbrücken. Mit Zeichenstift und Kamera, Auge, Hand und Ohr, zu
Fuß und per Bus waren die jungen Forscherinnen und Forscher begeistert
zu Gange. Ihre Erlebnisse hielten sie sowohl vor Ort fest, als auch beim
kreativen Gestalten im Sulzbacher Kulturzentrum Salzherrenhaus durch plastisches
Arbeiten mit Ton und Metall und der Arbeit im Fotolabor. So entstanden
aus Ton eine römische Siedlung mit Tempel, Einwohnern und Tieren.
Römische Motive wurden im Fotolabor zu Fotogrammen verarbeitet, im
Museum für Vor- und Frühgeschichte entstanden in Punztechnik
römische Schmuckstücke.
Die sinnlich-kreative Umsetzung dieser
Erlebnisse ermöglichte den Kindern und Jugendlichen, ihrer "italienischen"
Vergangenheit auf saarländischem Boden nachzuspüren und ihre
Lebensumwelt besser zu verstehen. Unter Anleitung der Medienkünstlerin
Sabine Loos näherten sich die jungen Forscher der Gegenwart und untersuchten
Kunst, Kultur und Alltagsleben der ersten Römer, die als die ersten
italienischen Einwanderer in das Saarland kamen. Das Projekt wurde didaktisch
und pädagogisch von den Lehrern und Lehrerinnen Antonella D`Alonzo,
Francesco Calabrese und Barbara Seithe begleitet.
Die Arbeiten der Kinder wurden anschliessend
im Sulzbacher Kulturzentrum ausgestellt.
"Auf den Spuren der Römer, um ihrer
eigenen Identität auf saarländischem Boden nachzuspüren
und ihre Lebensumwelt besser zu verstehen"
(Wochenspiegel, Dez. '97)
Barock statt Rock
Italienische Jugendliche auf barocken
Spuren in Saarbrückenzurück zu "Auf den Spuren der Italiener
im Saarland"
Im Sommer 1998 hieß es für Kinder
und Jugendliche aus dem italienisch- muttersprachlichen Unterricht an den
Schulen in Brebach und St. Arnual im zweiten Projektteil "Barock statt
Rock!"
Vom 30. Juni bis 9. Juli fanden an sieben
Nachmittagen Exkursionen zu Plätzen innerhalb Saarbrückens statt,
die eine Verbindung herstellten zur italienischen Geschichte der Barockzeit
des 18. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt standen die Saarbrücker Ludwigskirche,
wo der italienische Baumeister Garosse aus Ottweiler gearbeitet hatte und
der italienische Bildhauer Carlo Pozzi aus Rom die Skulpturen im Innenraum
der Kirche gestaltete. Eine weitere Exkursion führte in die Alte Sammlung
des Saarland Museums, wo sich ein Modell der Ludwigskirche befindet und
wo von italienischer Kunst beeinflußte vorgestellt wurden. Bei den
Exkursionen haben die Kinder gemalt und fotografiert.
Die Geschichtserfahrung im Anschluß
an die Exkursionen wurde mit kreativ-künstlerischen Mitteln verarbeitet:
So wurden z.B. die traditionelle Herstellung von Bildfarben erlernt und
Skulpturen aus verschiedenen Materialien gearbeitet. Auch ein Videofilm,
mit dem die Jugendlichen ihre barocke "Spurensuche" dokumentieren, wurde
hergestellt. An dem Projekt haben Sabine Loos, Barbara Seithe und Rolando
Pettinari mitgewirkt.
"In der Barockzeit waren nicht nur italienische
Künstler im Saarland tätig, sondern umgekehrt auch vor dem Hintergrund
einer "regelrechten Italienschwärmerei" viele deutsche und nordeuropäische
Künstler nach Italien ausgewandert".
(Kakadu, Sept '98)
Alles nur Pizza & Pasta?
Italiener heute machen Kultur!
Vom 14.-25. November 1998 setzten die Kommunale
Ausländerkultur des Saarbrücker Kulturamtes und COASSCIT ihr
mehrjähriges Projekt "Auf den Spuren der Italiener im Saarland" fort.
Was gab es in Saarbrücken außer Pizza-Eßkultur an (italienischer)
Kultur zu entdecken? Diese Fragen standen für Kinder und Jugendliche
aus dem italienisch-muttersprachlichen Unterricht in Sulzbach und Dudweiler
im Mittelpunkt des dritten Projekts auf ihrer Zeitreise durch die Geschichte
dieses Jahrhunderts.
Der italienische Schauspieler Dino Scandariato
arbeitet am Saarbrücker Kinder- und Jugendtheater Überzwerg.
Daher stand am 14.11. ein Besuch des neuen Stückes "Forever Young"
auf dem Programm. Dino Scandariato stellte seinen Arbeitsort live als Schauspieler
in Forever Young vor, gewährte einen Blick hinter die Kulissen des
Theaters und beantwortete Fragen zum Schauspielberuf und zur Ausbildung.
Während seines anschließenden Theaterworkshops tauchten die
Kinder und Jugendlichen in die Schauspielkunst ein, sie erfuhren die Grundlagen
von Mimik-, Sprech- und Bühnentechnik.
Viele der im Saarland ansässigen
italienischen Familien kommen ursprünglich aus Sizilien, wo die bis
ins Mittelalter zurückreichende Volkstheater-Tradition des sizilianischen
Marionettentheaters, die Opera dei pupi, beheimatet ist. In der neuen deutschen
Heimat ging für viele Immigranten diese italienische Kultur verloren
und wartete nun darauf, von den Kindern und Jugendlichen der dritten und
vierten Generation neu entdeckt zu werden. Ein großer Teil des zweiwöchigen
Projekts wurde der praktisch-kreativen Begegnung mit den Geschichten und
den Figuren der "Opera dei pupi" gewidmet.
Die pupi, die bis zu einem Meter großen
sizilianischen Stabmarionetten, werden zur Darstellung von Ritterspielen
und Schlachten verwendet. Die Figuren stellen z.B. die legendären
Ritter Orlando und Rinaldo dar und den berühmten König Carlo
Magno (Karl der Große). Auch neuere Geschichten finden sich, wie
z.B. über den Nationalhelden Giuseppe Garibaldi in seinem charakteristischen
roten Hemd. Klassische Texte übernahm das Marionettentheater der "Opera
dei pupi" aus dem Repertoire der Commedia dell`arte, für die Carlo
Gozzi und Carlo Goldoni im 17. Jahrhundert ihre Meisterstücke schrieben.
Unter Anleitung der Medienkünstlerin
Sabine Loos, der Marionettenbauerin Barbara Seithe und der Italienischlehrerin
Antonella D`Alonzo wurden an mehreren Nachmittagen "pupi" gebaut. Mit einer
Marionettenspiel-Inszenierung, die sich an Inhalten der klassischen Stücke
anlehnte, schlossen die Kinder und Jugendlichen mit einer Theatervorstellung
den dritten Teil der interkulturellen Spurensuche ab.
"Was gibt es in Saarbrücken außer
Pizza-Eßkultur an (italienischer) Kultur, die Italiener hier in Saarbrücken
gestalten"?
(Kakadu, Nov. '98)
Als Papa nach Deutschland kam ...!
Italienische Kinder und Jugendliche auf
den Spuren der Einwanderung ihrer Familien
Das interkulturelle Forschungsprojekt "Auf
den Spuren der Italiener im Saarland" wurde vom 19. bis 29. April 1999
mit Kindern und Jugendlichen aus dem muttersprachlichen Unterricht in Dudweiler
und Sulzbach fortgesetzt. "Als Papa nach Deutschland kam..." könnte
die Einleitung zu vielen Erzählungen in den Familien der italienischen
Einwanderer aus Kalabrien und Sizilien sein. Wobei "Papa" auch der Großvater,
also ein Mitglied der älteren Generation, sein kann, denn die italienische
Immigration ins Saarland hatte ihren Höhepunkt schon vor einigen Jahrzehnten.
Das Zeichnen von Wegekarten der Einwanderung
stand auf dem Plan. Und beim Stöbern auf Dachböden in Kisten
und Koffern voller Erinnerungen an Italien und die erste Zeit im Saarland
kamen so manche Fotografie, ein Souvenir, Briefe oder eine alte Jacke und
ein Kleid aus den 60-er Jahren an Licht. In Dudweiler interviewten die
Jugendlichen zudem einige italienische Händler und sammelten Geschichten
von früher in ihren Familien.
Technische Hilfsmittel wie Videokameras,
Diaprojektoren, Scheinwerfer und Fotokameras waren den Kindern und Jugendlichen
im nunmehr 4. Geschichtsprojekt schon ganz geläufig. Schließlich
legte das Projekt einen Schwerpunkt auf den Umgang mit technischen Kunstmedien.
Seitens der COASSCIT wurde der Umgang mit den neuen Kommunikationsmedien
gefördert: Computereinsatz beim Schreiben eines Hypertext und interaktive
Computerpräsentation rückten dem Familiengedächtnis zu Leibe.
Daraus und aus all den anderen Erinnerungsstücken entstand eine Computer-Dokumentation
darüber, wie es war, "als Papa nach Deutschland kam...".
Als Abschluß haben die Kinder eine
Ausstellung über das Projekt und eine Theatervorstellung über
die Geschichte der Italiener im Saarland vorbereitet.
Das Gemeinschaftsprojekt der COASSCIT
und der Kommunalen Ausländerkultur des Saarbrücker Kulturamtes
wurde begleitet von Dr. Rolando Pettinati und Dr. Antonella D'Alonzo von
der COASSCIT, der Medienkünstlerin Sabine Loos und der Erziehungswissenschaftlerin
Barbara Seithe.
"Ferien in Sizilien schön und gut,
aber meine Freunde leben hier und deswegen bleibe ich auch im Saarland"
(Aus der Saarbrücker Zeitung, Vincenzo
Galletta)
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